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Ist es denn ein Wunder…? – Ein Kommentar

Bangkok - Während die Proteste auf den Straßen eine neue gewalttätige Stufe erreichen, sollten wir einen wichtigen Punkt nicht vergessen, der Thailand in dieses Chaos geführt hat: Die Rechtsstaatlichkeit wird ignoriert und ausgenutzt, meint Kolumnist Voranai Vanijaka.

Vor einer Woche hat Kanit Na Nakorn, der ehemalige Vorsitzende des Wahrheits- und Versöhnungskomitees der Staatsanwaltschaft vorgeschlagen, alle Terrorismusanklagen gegen die Führer der Gelbhemden (PAD) und der Rothemden (UDD) fallen zu lassen. Er meinte, dass sich die Verfolgung der Fälle negativ auf die nationale Sicherheit auswirken.

Vielleicht sollte Kanit einmal versuchen, die Zusammenhänge zu erkennen und in Erwägung ziehen, dass es eine Bedrohung für die nationale Sicherheit ist, wenn mutmaßliche Kriminelle mit ihren Straftaten davonkommen. Um die nationale Sicherheit zu schützen, sollten Kriminelle angeklagt und bestraft werden.

Ohne Rechtsstaatlichkeit gibt es keine nationale Sicherheit. Was das betrifft, fällt eine Gesellschaft ohne Rechtsstaatlichkeit auseinander. 2010 war es die Phuea Thai Party und die UDD, die die Rechtsstaatlichkeit missachteten, um ihre Ziele zu erreichen. Damals war es die Regierung der Demokratischen Partei und deren Sympathisanten, die nach Rechtsstaatlichkeit schrien. Heute ist die Situation genau umgekehrt, was die Heuchelei auf beiden Seiten aufzeigt.

Noch immer sind die Anführer der PAD, denen terroristische Straftaten wegen der monatelangen Besetzung des Regierungssitzes und der Blockade der Bangkoker Flughäfen Suvarnabhumi und Don Mueang vorgeworfen wird, noch immer auf freiem Fuß – über ein halbes Jahrzehnt nach deren Straftaten.

Noch immer sind die Anführer der UDD auf freiem Fuß, denen terroristische Straftaten vorgeworfen werden, weil sie dazu anstifteten, Bangkok in Flammen aufgehen zu lassen und Provinzverwaltungen anzuzünden. Das ist über drei Jahre her, einige dieser Leute sitzen in der jetzigen Regierung.

Noch immer sind Abhisit Vejjajiva und Suthep Thaugsuban auf freiem Fuß und führen die Regierungsgegner an, obwohl beiden Mord vorgeworfen wird. Suthep wird zudem Anstiftung zum Aufruhr vorgeworfen, aber er kommt davon, weil die Rechtsstaatlichkeit nicht greift.

Man kann darüber diskutieren, ob die Vorwürfe gegen die zuvor genannten Personen zurecht erhoben werden, man sollte aber gleichzeitig innehalten und darüber nachdenken, weshalb es möglich ist, dass Leuten, denen derartig schwere Verbrechen vorgeworfen werden, nach wie vor frei sind, Minister sind oder Demonstrationen anführen.

Doch im Grunde ergibt das einen Sinn, oder? Über die Rechtsstaatlichkeit konnte in Thailand schon immer verhandelt werden, sie konnte gekauft, gebeugt, ausgenutzt und manipuliert werden. Oftmals wurde sie völlig ignoriert und auf ihr wurde herumgetrampelt. Angefangen von Politikern über die Polizei und Militär bis hin zu einfachen Bürgern.

Ist es also ein Wunder, dass die Leute jubeln, wenn Suthep die Wahldemokratie aussetzen und die Demokraten die Wahlen boykottieren wollen? Ist es ein Wunder, dass Leute für Strohmänner, Marionetten und Klone stimmen, die für einen Mann stehen, der wegen Korruption verurteilt wurde, während Minister und Staatsbeamte ins Ausland reisen, um von ihm ihren Segen zu erhalten, während sie versuchen, ihn zu amnestieren?

Ist es ein Wunder, dass innerhalb von drei Jahren zwei rivalisierende politische Fraktionen so schnell ihre Einstellung zur Rechtsstaatlichkeit ändern können, damit das in ihre politische Agenda passt? Ist es ein Wunder, dass Hardcore-Sympathisanten beider Seiten glauben, dass sie Amok laufen und Gewalttaten verüben können, ohne dafür belangt zu werden? Ist es ein Wunder, dass es in den letzten 80 Jahren seit Beginn der sogenannten Thai-Demokratie 23 Militärputsche oder Putschversuche gab und niemand sicher sein kann, ob es nicht wieder einen gibt? Ist es ein Wunder, dass Thailand eine neue Runde von Tod und Zerstörung erlebt, und wenn das weiter eskaliert, sich beide Seiten bezichtigen werden, „Mörder“ und „Terroristen“ zu sein?

Wenn Thailand aus den Nähten platzt, weil beide politische Seiten das Gesetz prostituieren um nicht zu sagen, das Gesetz zur Hure machen, ist es denn ein Wunder?

Bevor wir über Reformen und Wahlen sprechen, sollten wir erst einmal etwas Einfaches, doch gleichzeitig Schwieriges tun: Wir sollten die Rechtsstaatlichkeit achten – und wenn jemand glaubt, dass ein Gesetz ungerecht ist, kann dieses im Wege des demokratischen Prozesses geändert werden.

Rechtsstaatlichkeit bedeutet, daß die Ausübung staatlicher Macht nur auf der Grundlage der Verfassung und von formell und materiell verfassungsmäßig erlassenen Gesetzen mit dem Ziel der Gewährleistung von Menschenwürde, Freiheit, Gerechtigkeit und Rechtssicherheit zulässig ist

Staat, der [gemäß seiner Verfassung] das von seiner Volksvertretung gesetzte Recht verwirklicht und sich der Kontrolle unabhängiger Richter unterwirft