Quelle: http://www.spiegel.de/unispiegel/studiu ... 81531.htmlBetrug in Thailand: 20.000 Dollar für die perfekte Fake-Bewerbung
Sie klauen Prüfungsblätter, fälschen Noten, lassen ihre Lebensläufe gegen Geld aufpimpen: Viele thailändische Familien wollen unbedingt ein Kind an eine US-Elite-Uni schicken, zur Not auch mit ausgedachten Heldentaten.
Nui, 20, versucht gar nicht, sich rauszureden. Dass sie betrogen hat, räumt die Studentin ein. Sie hat vor der Klausur im Büro ihres Professors Prüfungsunterlagen geklaut. Nicht, um Klassenbeste zu werden, wie sie sagt, sondern nur, um nicht das Nachsehen zu haben. "Alle machen es, und das ist der einfachste Weg, die beste Note zu bekommen", sagt die Thailänderin, die an der Chulalongkorn-Uni in Bangkok Kommunikation studiert.
Schummeln und Täuschen ist unter Thailands Studenten so stark verbreitet, dass sie an amerikanischen Universitäten schon als schwarze Schafe gelten. "Abgesehen von China dürften Studenten aus Thailand die Schlimmsten sein", sagt der Leiter der Zulassungsstelle einer US-Uni. "Abschreiben und Schummeln ist in den Ländern eine wahre Epidemie und dem muss ein Riegel vorgeschoben werden."
Die renommierte Tufts-Universität in den USA habe im Jahr 2013 ein Viertel aller Bewerbungsunterlagen aus Thailand wegen offensichtlicher Mogeleien aussortiert, berichtete die Zeitschrift "Fortune". Manche hätten Noten gefälscht. Andere hätten sich mit herzzerreißenden Geschichten über persönliche Tragödien beworben, die sich als Fiktion entpuppten. Und dann gab es die selbstlosen Einsätze für Hilfsorganisationen, die gar nicht existieren.
20.000 Euro für die perfekte Uni-Bewerbung
In Bangkok gibt es sogar Agenturen, die gegen Unsummen die Bewerbungsunterlagen "aufpeppen" und ihren jungen Kunden einen Platz an einer Elite-Uni garantieren. Manche kreieren sogar Webseiten für fiktive Hilfsorganisationen und stellen in deren Namen Scheinreferenzen aus. In die Karten lässt sich freilich keine Agentur schauen. Es gehe allein darum, den Studenten mit lauteren Methoden bei den Bewerbungen zu helfen, heißt es unisono.
Gut 20.000 Euro für "Bewerbungsnachhilfe" - das ist in Thailand, wo ein Gymnasiallehrer rund 500 Euro im Monat verdient, sehr viel Geld. In gehobenen Kreisen wird diese Investition aber als nötig angesehen. Ein Kind an einer ausländischen Elite-Uni ist ein Statussymbol. Mit Grüßen von der Tochter in Harvard oder dem Sohn in Oxford ernten auch die Eltern auf Dinnerpartys Lorbeeren, glauben viele.
"Diese Kinder glauben, Mogeln sei ganz normal"
"Es muss eine Top-Universität sein", sagt Eed, Mutter von zwei Teenagern. "Ansonsten fallen wir hinter andere Familien zurück, das können wir uns gesellschaftlich nicht leisten." Sie hat eine Agentur engagiert, die ihrer Tochter, 18, bei den Uni-Bewerbungen hilft. "Sie beteuern, dass alles mit rechten Dingen zugeht", sagt die Mutter.
"Mogeln? Das ist für Studenten doch ganz normal", sagt Thanawat Kheawdoknoi. Der 22-Jährige hat Englisch an der Thammasat-Universität in Bangkok studiert. "Uns wird das ganze Leben lang eingetrichtert, dass jeder danach beurteilt wird, wie smart er ist. Wir brauchen gute Noten. Wie man daran kommt, ist egal - Hauptsache, man hat sie."
"Die Universitäten greifen nicht hart genug durch", sagt Panuwat Panduprasert, Dozent für Politikwissenschaft in der nordthailändischen Stadt Chiang Mai. Doch seit einem prominenten Plagiatsskandal im Jahr 2012 ändert sich etwas. Die Hochschulkommission hat alle Institute angewiesen, Seminar- und Masterarbeiten mit einer Software auf Plagiate zu überprüfen. "Ich habe Studenten schon das Jahr wiederholen lassen, wenn sie aufgeflogen sind", sagt Narudh Areesorn, der früher Wirtschaft an der Mahidol-Universität in Bangkok lehrte. Und die Chulalongkorn-Uni nahm dem Chef der Innovationsbehörde den Doktortitel weg, weil 80 Prozent seiner Arbeit geklaut waren.
"Das Dilemma ist: Studenten glauben, jeder macht's und sie befürchten, auf der Strecke zu bleiben, wenn sie nicht auch schummeln", sagt Panuwat. "Eltern, die so etwas unterstützen, und diese Bewerbungsagenturen geben schlechte Beispiele ab", sagt ein Lehrer, der Schüler an seiner Schule in Bangkok bei Uni-Bewerbungen unterstützt. "Diese Kinder gehen in die Welt hinaus und glauben, Mogeln und Schummeln sei ganz normal."
Cod Satrusayang/dpa/lgr
Interessant sind auch manche Kommentare zu dem Artikel. Da berichten einige Leute aus eigener Erfahrung.