Gerichtsverfahren in Thailand

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hippo
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Gerichtsverfahren in Thailand

#1

Beitrag von hippo »

Ist recht interessant.
Ein Dolmetscher berichtet über Gerichtsverfahren in Thailand
14. Juni 2015 von Pedder

Bangkok. Gerichte und Gerichtsverfahren in Deutschland und in Thailand haben so gut wie nichts gemeinsam. Was in dem einen Land als Bagatelle abgetan wird, kann in dem anderen Land mit etlichen Jahren Gefängnis bestraft werden.

Dass die Gefängnisse in Thailand und in Deutschland nicht miteinander verglichen werden können, dürfte den meisten wohl klar sein. Ein Gefängnisaufenthalt in Deutschland dürfte verglichen mit einem Gefängnisaufenthalt in Thailand wohl eher ein Zuckerschlecken sein.

Im Forum ThailandTIP berichtet ein Mitglied, der an ca. 500 Gerichtsverfahren in Thailand als ehrenamtlicher Dolmetscher teilgenommen hat, von seinen Erfahrungen. Seine Berichte sollten als Pflichtlektüre für jeden Deutschen in Thailand gelesen werden.

Einige seiner Aussagen zum Thema Gerichtsverfahren in Thailand:

Alle Urteile, auch gegen Ausländer sind sehr heftig. Nur wer gesteht, dessen Strafe wird halbiert.
Freisprüche oder im Zweifel für den Angeklagten gibt es so gut wie nicht.
Justiz läuft hier anders ab als wir es von unseren Ländern kennen.
Auf der Polizei kann man ALLES klären, auch einen Mord.
Der Offizier auf der Polizeiwache hat das Recht zu entscheiden, ob er die Anzeige weiterleitet oder nicht.
Sich auf der Polizeiwache mit seinem Gegner zu einigen ist in den meisten Fällen die beste und auch die billigere Lösung.

Weitere Informationen und Hintergrundwissen finden sie im Forum ThailandTIP
kopiert aus TIP
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bukeo
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Re: Gerichtsverfahren in Thailand

#2

Beitrag von bukeo »

[quote="hippo";p=63377]
Bangkok. Gerichte und Gerichtsverfahren in Deutschland und in Thailand haben so gut wie nichts gemeinsam. Was in dem einen Land als Bagatelle abgetan wird, kann in dem anderen Land mit etlichen Jahren Gefängnis bestraft werden.
[/quote]

In Thailand hat die Polizei bei Straftaten wesentlich mehr Entscheidungsbefugnisse, als die Polizei in Deutschland. In Deutschland werden Straftaten vom Staatsanwalt bearbeitet - in Thailand erstmal von der Polizei, ohne Staatsanwaltschaft. Die Polizei versucht zuerst eine Einigung zwischen den Parteien zu erzielen, erst wenn diese scheitert, wird an das Gericht übergeben. So können viele kleine Straftaten schon im Vorfeld erledigt werden, mit Geldstrafe oder eben Einigung zwischen Täter und Opfer.

Das bei Mord die Polizei legal eine Einigung zwischen Täter und Familie des Opfers erzielen kann, halte ich für ein Gerücht. Das sind auch in TH Offizial-Delikte, die also nur über das Gericht abzuhandeln sind.
Es kann aber strafmildernd bewertet werden, wenn z.B. die Familie des Opfers entschädigt wird und sich für eine milde Strafe ausspricht. So sind Mörder oftmals schon nach einigen Jahren (inkl. Amnestien) wieder auf freien Fuss.
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thedi
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Re: Gerichtsverfahren in Thailand

#3

Beitrag von thedi »

[quote="bukeo";p=63379]Dass bei Mord die Polizei legal eine Einigung zwischen Täter und Familie des Opfers erzielen kann, halte ich für ein Gerücht...[/quote]
Bei Mord wird es wohl meistens unmöglich sein eine gütige Einigung zwischen dem Täter und den Hinterbliebenen des Opfers zu erreichen. Somit hast Du da recht. Aber anderseits kenne ich zwei Fälle von Unglücksfällen, die in DACH mit Sicherheit zu einem Gerichtsverfahren und einem Schuldspruch wegen fahrlässiger Tötung geführt hätten - hier aber nach einer gütigen Einigung von der Polizei eingestellt wurden.

Mit freundlichen Grüssen

Thedi
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MOE
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Re: Gerichtsverfahren in Thailand

#4

Beitrag von MOE »

[quote="bukeo";p=63379][quote="hippo";p=63377]
Bangkok. Gerichte und Gerichtsverfahren in Deutschland und in Thailand haben so gut wie nichts gemeinsam. Was in dem einen Land als Bagatelle abgetan wird, kann in dem anderen Land mit etlichen Jahren Gefängnis bestraft werden.
[/quote]

In Thailand hat die Polizei bei Straftaten wesentlich mehr Entscheidungsbefugnisse, als die Polizei in Deutschland. In Deutschland werden Straftaten vom Staatsanwalt bearbeitet - in Thailand erstmal von der Polizei, ohne Staatsanwaltschaft. Die Polizei versucht zuerst eine Einigung zwischen den Parteien zu erzielen, erst wenn diese scheitert, wird an das Gericht übergeben. So können viele kleine Straftaten schon im Vorfeld erledigt werden, mit Geldstrafe oder eben Einigung zwischen Täter und Opfer.

Das bei Mord die Polizei legal eine Einigung zwischen Täter und Familie des Opfers erzielen kann, halte ich für ein Gerücht. Das sind auch in TH Offizial-Delikte, die also nur über das Gericht abzuhandeln sind.
Es kann aber strafmildernd bewertet werden, wenn z.B. die Familie des Opfers entschädigt wird und sich für eine milde Strafe ausspricht. So sind Mörder oftmals schon nach einigen Jahren (inkl. Amnestien) wieder auf freien Fuss.[/quote]

Selbstverständlich ist die Polizei an einer schnellen Einigung interessiert, halten doch Ermittlungen selbst in Bagatellsachen sie von ihren Hauptaufgaben ab, wie z.B. Eintreiben von Schutzgeldern, harmlose Touristen in der Öfentlichkeit in kleine Becher pinkeln zu lassen, Verteilen von "Teegeld" nach dem Dienstgradproporzschlüssel, Rauschgifthandel, Auftragsmorde und das Betreiben von illegalen Kasinos, um hier nur die wichtigsten zu nennen. Deswegen berichten viele Verbrechensopfer übereinstimmend, daß sie aufgefordert wurden, eine Art "Verdienstausfallentschädigung" zu entrichten, bevor die Polizei sich dazu aufraffte, wenigstens einen Schein von "Ermittlungen" einzuleiten.

Juristisch belastbare Spurensicherung ist nicht "das Ding" der thailändischen Polizei, kurz nach der Tat läßt man lieber die örtliche Prominenz und Pressefritzen durch den Tatort trampeln. Man verläßt sich auf das Geständnis, das schon mal durch Befragung in einem abseitigen "safe house" - ohne anwaltlichen Beistand selbstverständlich, erbracht wird. Ein 50% Rabatt auf die Strafe ist zusätzlich ein Anreiz. Kooperierende Verdächtige werden dann der Presse vorgeführt. Eingerahmt von der gesamten Teppichetage des örtlichen Polizeidistrikts bekommen sie den Ehrenplatz in der Mitte während sich die Subalternen hinter dem Tisch drängen, um ebenfalls mit aufs Bild zu kommen. Dabei ereignen sich ungewöhnliche öffentliche Gunsterweisungen - dem Kinderschänder wird tröstend der Arm um die Schulter gelegt, dem Vergewaltiger und Mörder anerkennend auf den Rücken geklopft, und die Polizeiprominenz flirtet offen mit der attraktiven mutmaßlichen Betrügerin.

Bild

Unverzichtbar für jedes Kapitaldelikt ist die von der Polizei - nicht vom Gericht - durchgeführte Nachstellung des Verbrechens, das sogenannte Reenactment. Unverzichtbar, denn nur so kann sichergestellt werden, daß bei unschuldigen Verdächtigen die Fingerabdrücke und DNA Spuren an den Tatort gelangen. Unverzichtbar auch, weil die von den anwesenden zahlreichen Pressevertretern der Öffentlichkeit präsentierten Bilder entscheidend meinungsprägend sind.
Ansonsten sind diese "Reenactments" so akkurat wie die jener schmerbäuchigen Mittfünfziger die sich in kratziges blaues und graues Tuch hüllen und die Schlacht von Gettysburg nachspielen - eine, um Mißverständnisse auszuräumen, durchaus ehrenwerte Freizeitbeschäftigung.

Besonders bizarr wird es, wenn der Kinderschänder dann mit kugelsicherer Polizeiweste und Motorradhelm einen rosa Teddybären besteigen muß, oder sich auch schon mal eine Vertreterin der Auslandspresse als Opferdarstellerin anbietet - siehe Koh Tao.

Eine radikale Reform dieses Polizeiapparates ist nicht nur unumgänglich, sie ist überfällig. Leider hat der derzeitige PM bereits klargemacht, daß der dies einer gewählten Regierung überlassen will - womit alles beim alten bleibt.
MfG

MOE

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MOE
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Re: Gerichtsverfahren in Thailand

#5

Beitrag von MOE »

Mein obiger Beitrag wurde eindrucksvoll durch diesen Artikel in der Bangkok Post bestätigt.

Inkompetent, faul, korrupt und verlogen, um nur die weniger schlechten Eigenschaften zu nennen.

http://www.bangkokpost.com/opinion/opin ... -hits-home
MfG

MOE

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