Patientenbetreuer in Bangkok Der Kümmerer für schwierige Deutsche
Der Reis schmeckt nicht, die Diagnose ist unklar, der Transport zu langsam: Wenn deutsche Urlauber in Thailand ins Krankenhaus müssen, leiden auch die Ärzte. Dann vermittelt Oliver Franz - er ist Patientenbetreuer im Bangkok Hospital.
Auf Intensivstation 1 des Bangkok Hospitals liegt Harald Reichert aus Mannheim. 150 kg, Herzflattern und ein von Bakterien angegriffenes, wundes Bein. Wie das funktionieren soll mit dem Rücktransport in der Charter-Maschine des ADAC, will er wissen. Und überhaupt, warum wird er ständig vertröstet? "Wir fahren dich mit dem Rettungswagen direkt aufs Rollfeld. Das bekommen wir alles hin, keine Sorge", sagt Oliver Franz. "Nicht ärgern, bringt nix."
Franz ist weder Arzt noch Pfleger. Der 30-Jährige ist im Bangkok Hospital angestellt als Patientenbetreuer, als "Deutschen-Versteher". Er übersetzt und vermittelt zwischen deutschen Patienten und thailändischen Ärzten. Es ist eine Aufgabe, die mehr verlangt als Sprachkenntnisse. Franz übersetzt nicht nur Wörter, er übersetzt Kultur.
"Für Thais ist der Arzt Gott, die Deutschen sind da skeptischer", sagt der Berliner. In Südostasien heißt die oberste Verhaltensregel: das Gesicht wahren. Deutsche Patienten seien oft misstrauisch und direkt. "Da machen die Ärzte hier dicht", sagt Franz. Dass er sich einschaltet, nehme viel Spannung aus der Situation. "Die Patienten sind kooperativer, und das nützt auch dem Krankenhaus."
Franz ist so etwas wie ein interkulturelles Scharnier, eine menschliche Pufferzone zwischen konfrontativen Deutschen und dauerlächelnd-höflichen Thailändern. Er gibt sowohl dem Krankenhauspersonal als auch den Patienten das Gefühl, auf ihrer Seite zu stehen.
Er erklärt Patienten in der gemeinsamen Sprache, was der Arzt auf Englisch zu vermitteln versucht hat, beantwortet Detailfragen und reagiert auf Argwohn. Vieles ginge ohne ihn auch in der Übersetzung verloren. "Sag zu einem Deutschen das Wort Tumor, und er denkt sofort an Tod", sagt Franz.
Das Bangkok Hospital erinnert an ein großes, teures Hotel. Ein Mann mit rotkariertem Palästinensertuch um den Kopf lässt seinen Koffer, an dem noch das Gepäcketikett von der Reise hängt, durch die Lobby schieben. Frauen in Burkas schieben Infusionsständer über den glänzenden Boden der Empfangshalle, Expatriates aus ganz Südostasien checken an der Rezeption zu Routine-Untersuchungen ein. Uhren zeigen an, wie spät es in Tokio, New York und Berlin ist. Das Krankenhaus bietet Patienten aus der ganzen Welt kulturell angepasste länderspezifische Abteilungen. Es gibt Übersetzer für alle möglichen Sprachen von Arabisch bis Äthiopisch.
Franz lebt seit zwei Jahren in Bangkok. Er blieb nach einem Urlaub, wegen einer Frau. Ein Arbeitsvisum zu bekommen, sei kein Problem gewesen, sagt er. Als ausgebildeter Rettungssanitäter nahm er einen Job in der Verwaltung des Krankenhauses an. Zunächst sollte er nur zwischen dem Bangkok Hospital und deutschen Krankenkassen vermitteln. Doch schon bald fragten die Ärzte, ob er bei deutschen Patienten bei der Visite dabei sein könnte. Für Franz ist das nicht nur spannender, sondern auch einträglicher, als in Deutschland in einem Krankenwagen unterwegs zu sein.
Er liebt an seinem Beruf, dass er so unterschiedliche Leute trifft. Der Firmenboss ist gleichermaßen auf ihn angewiesen wie die 18-jährige Abiturientin. Für die Patienten ist Franz ein Stück Zuhause. Er denkt mit, macht Vorgänge effizienter und Antworten eindeutiger. Wenn es darauf ankommt, bringt er auch schon mal Sim-Karten oder DVDs ans Krankenbett. Ganz oft wird er auch zu einem Rede-Ventil. "Wenn Männer, die mit ihren thailändischen Ehefrauen nicht ordentlich kommunizieren können, bei mir landen, dann höre ich schon mal ganze Lebensgeschichten", sagt er.
Die Sohlen seiner schwarzen Lederschuhe klappern auf dem Krankenhausboden. In der Hochsaison rauscht er jeden Tag zwischen 15 Patienten hin und her. Ein Expatriat hat ihm Fotos einer Verletzung auf das Smartphone geschickt. "Mach dir keinen Kopf, ich rede mit dem Arzt... Das mit dem Visum hast du im Griff, ja? Und drück nicht an der Wunde rum", sagt Franz ins Telefon.
Nachdem er aufgelegt hat, erklärt er einer Krankenschwester auf Englisch, dass der neue Patient den Reis letztens nicht ausstehen konnte. Er tut es absichtlich mit einem ulkigen Thai-Akzent. "So verstehen sie mich besser", sagt er und lacht.
Spiegel online